14.03.2019, 8:30Uhr, Münster
Es regnete, als ich aus dem Bus ausstieg. Schnell rannte ich in das Museum für antike Geschichte, wo Frau Bl?ker und der Rest meiner Klasse schon warteten. "Emily, gerade noch rechtzeitig!", rief sie leicht genervt, w?hrend ich mich dazu gesellte. "Tschuldigung", murmelte ich. Emily, wie sehr ich diesen Namen hasste! Ich würde ja viel lieber Eric hei?en, oder so, und ne tiefe Stimme h?tte ich auch viel lieber als Brüste, aber kann man halt nichts machen, so ne schei?e. "So", riss mich Frau Bl?ker aus meinen Gedanken, "hier habt ihr eure Arbeitsbl?tter, die ihr bitte mithilfe der Ausstellung bearbeitet!" Sie verteilte jede Menge Zettel und als ich meinen angenommen hatte, ging ich los. Aber mich wirklich auf die Aufgaben konzentrierte ich mich nicht - nach den Noten aus der 8. Klasse fragt sp?ter sowieso keiner mehr. Stattdessen zeichnete ich lieber die Ausstellungsstücke, das lag mir eh viel mehr. Da kam ein Mitarbeiter auf mich zu. Was will der denn, fragte ich mich. Er schaute mir einen Moment lang direkt über die Schulter, direkt auf meine Zeichnungen. Nerv?s sah ich ihn an, dann forderte er mich freundlich, aber bestimmt, auf: "Komm mal mit, ich will dir mal was zeigen." Dann wandte er mir den Rücken zu und ging in Richtung einer Tür mit der Aufschrift "Zutritt nur für Mitarbeiter". Einen Moment z?gerte ich, bis mich der Mann noch einmal herausfordernd ansah, dann folgte ich ihm. Hinter der Tür befand sich ein Archiv. Ehrfurcht ergriff mich, als ich meinen Blick schweifen lie?. Da kam der Museumsmensch gefühlt aus dem Nichts mit einem verdammt alten Pergament auf mich zu. "Lie?! Aber pass auf, es ist sehr alt, 800 vor Christus um genau zu sein, und leicht zu zerst?ren." Vorsichtig nahm ich das Stück Geschichte in die Hand. Zu meiner überraschung war der Text in modernem Deutsch formuliert. "Ich bin Eric." - Erster Satz, direkt sympathisch - "Ich bin ein 21j?hriger Maschinenbaustudent" - sogar ein gemeinsames Interesse - "und ich stecke fest. Aber lass mich von vorne anfangen. Vor 3 Tagen (kann ich das überhaupt sagen?) hat mich Professor Kinger nach der Vorlesung in sein Labor gebeten. Du musst wissen, Herr Dr. Kinger ist absolut genial - intelligent, freundlich, kreativ, witzig... Und verdammt gutaussehend... Aber ich schweife ab. auf jeden Fall wollte er, dass ich dabei bin, wenn er seine neueste Erfindung das erste Mal testet. Das tat er tats?chlich ?fter und es war jedes Mal ein spannendes Erlebnis. Eine Zeitmaschine sollte es dieses sein - ein gr??eres Projekt als jedes zuvor. Aber Professor Kinger hat halt die Angewohnheit, sich regelm??ig selbst zu übertreffen. Oder hatte, nach allem was passiert ist? Ich wei? es nicht. Zun?chst erkl?rte er mir die Funktionsweise der Maschine. Auch wenn ich nicht alles verstand, beeindruckt war ich sicher. "Kommen Sie!", sagte er irgendwann fr?hlich. "Lassen sie uns den Test starten. Aber nur wenn Sie sich trauen!" "Herausforderung angenommen!", lachte ich und stieg ein. Dann sah ich zu, wie seine H?nde gem?? seiner Ausführungen über die Schaltfl?chen flogen. Diese sch?nen H?nde... Ich bin immer noch hin und weg davon. Wenn er nur wüsste... Die Maschine ratterte und wackelte, die einzelnen Komponenten dr?hnten. Das war schon ein wenig be?ngstigend. Aber als der Vorgang abgeschlossen war und wir ausstiegen... Ich war verblüfft. Verblüfft von Athen. Das antike Athen. "Sch?n hier, nicht?" Herr Dr. Kinger legte mir seine Hand auf die Schulter. Verlegen nickte ich. "Gehen wir die Stadt erkunden!" Rief er und lief eilig los. "Wenn wir schon mal hier sind, will ich auch was sehen." Ich rannte hinterher. Tja, man hat halt manchmal so seine Mühe, mit seinem schnellen Schritt mitzuhalten. Athen war wirklich beeindruckend. All die Geb?ude, die ich sonst nur als Ruinen kannte, standen hier in ihrer ganzen Pracht. Natürlich wurden wir viel angestarrt und sahen hin und wieder ein paar Leute leise über uns reden, was ja auch irgendwie verst?ndlich ist, so anders, wie wir aussehen. Doch auf einmal würden wir Zeuge von etwas seltsamen. Ein Mann, der an uns vorbei lief, verwandelte sich in ein Huhn. Als ich Herrn Dr. Kinger ansah, hatte er den gleichen Mix aus Erstaunen und Erschrecken im Gesicht, den ich empfand. Doch Zeit, etwas zu sagen, hatte keiner von uns. Aus dem n?chsten Passanten wurde ein Ochse. Nach und nach war die Stra?e immer weniger mit Menschen und mehr und mehr mit Tieren gefüllt. "Sie... Sie..." h?rte ich meinen Professor rufen. Als ich mich umdrehte fuhr er fort: "Sie haben sich ja in einen Hund transformiert!" Ihm stand ein breites L?cheln im Gesicht. Ich sah an mir runter und sah immernoch einen Menschen. Oh mein Gott, dachte ich, der halluziniert! Ich begann, zu vermuten, dass die anderen Tiere auch nur Illusionen sind. Unsicher bin ich mir nur jetzt noch, ob Athen an sich auch eingebildet ist. Aber zurück zu meiner Geschichte. Dr. Kinger schien mich also für einen Hund zu halten. Ich wei? noch genau, wie er zu mir sagte: "Sie sind ja richtig niedlich, ja guter Junge, ja Feini!" Und mir dabei enthusiastisch über den Kopf streichelte. Jeder andere Professor h?tte sich eine gefangen, aber nicht er... Ich gebe zu, ich habe seine Berührungen sehr genossen. Dann merkte ich an seinem Gesicht, dass er mich wieder als Menschen sah. Er blickte mir tief in die Augen und dann... naja das führt jetzt hier zu weit. Auch wenn mich meine Emotionen für einen Moment überw?ltigt hatten, mir war natürlich auch klar, dass sein Zustand nicht dazu beitragen würde, dass wir sicher nach Hause kommen oder dass er danach weiter forschen oder unterrichten konnte, vorallem da er mich wieder als Hund wahrzunehmen schien. Also führte ich ihn zurück zur Zeitmaschine, mit der Absicht, sie selbst zu bedienen, weil ich das Herrn Dr. Kinger noch weniger zutraute, als mir. Zu meinem Entsetzen musste ich aber feststellen, dass auch mein Verstand schon zu getrübt war, um uns in unsere Zeit zurück zu bringen. Denn in der Maschine sah ich nur einen Irischen Pub. Und jetzt wissen weder Professor Kinger noch ich, wie wir wieder zurück kommen. Aber ich hab meine Hoffnung noch nicht aufgeben, denn er hat sein Genie noch, auch wenn er merkwürdige Dinge sieht. Danke, dass du meine Erz?hlung gelesen hast, auch wenn du mir bestimmt nicht glaubst. Vielleicht bekomme ich noch die Gelegenheit, der Welt zu beweisen, was ich erlebt habe." Ich sah auf. "Warum zeigen Sie mir das?", fragte ich den Mitarbeiter, dessen Namen ich immer noch nicht kannte. "Nun", begann er. "Eric hat auch ein paar Zeichnungen von seinem Erlebnis hinterlassen." Er kramte ein paar Zettel heraus. "Das ist die gleiche markante Strichführung, die ich bei dir gesehen habe." "Aber... Aber..." stammelte ich verdutzt vor mich hin. Tausend Gedanken rasten durch meinen Kopf. "Ja, das ist genau mein Zeichenstil... Was ... Was ist aus den beiden geworden?" Der Mann sah mich nachdenklich an. "Ich wei? es nicht. Die Gelehrten dieset Zeit schreiben nur vom Fund dieser Dokumente und ein paar weniger Stücke moderner Technik, viel damit anfangen konnten sie aber nicht. Aber ich mag den Gedanken, dass ich es nur nicht wei?, weil ihre Rückkehr noch in der Zukunft liegt." Ich l?chelte. "Ich auch." "Aber jetzt geh wieder zu deiner Klasse und zu deinen Zeichnungen." Er l?chelte zurück. "Alles klar", erwiderte ich und ging zur Tür. "Ach ja", h?rte ich und drehte mich um, "Alles Gute, Eric!" "Danke!" Ja. Eric. Das war mein Name. Meiner. Nicht Emily. Glücklich verlie? ich das Archiv.
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